
Davvero unplugged: MDS interviewt…
9. Juli 2025
Neue Vorlesefunktion
11. Juli 2025
Davvero unplugged: MDS interviewt...
.... Nina Gredig ... Medizinstudentin im letzten Jahr
Nina Gredig ist auf dem besten Weg eine viel versprechende junge Ärztin zu werden, die als
Famulantin zu unserer Daverio-Transsurgery-Group gekommen ist. Ein Monat Transgender-
Chirurgie «Bootcamp» - und die Medizinstudentin, die nur mal reingucken wollte, ist drei
Jahre später immer noch da und mehr denn je on fire.
Wer sich zum 18. Geburtstag eine O-b-d-u-k-t-i-o-n wünscht, der brennt von Anfang an für
seine Berufswahl. Inzwischen hat Nina ihre ersten beiden Staatsexamina bestanden und macht jetzt ihr PJ. So oft es geht kommt sie zu uns nach Berlin und begleitet unser Spezialisten-Team beiden GAOP.
1 D-T-S-G
Hallo Nina, ich hoffe, ich durfte deinen «Herzenswunsch» zum 18. Geburtstag ausplaudern. Mich hast du damit sehr beeindruckt. Mit 18 Jahren schon so fokussiert! Erzähl mal: Was hat dein Interesse an der Transgender-Chirurgie geweckt, und wie hat sich dieses Interesse seit deiner ersten Famulatur vor drei Jahren bei uns entwickelt?
NINA
Natürlich durftest Du das verraten.
Tatsächlich geht es in ähnlichem Stil weiter – ich wollte schon immer Chirurgin werden. Ich habe mit sechs Jahren bei der Kastration meines Hundes zugeschaut, und ab da war der Wunsch, Chirurgin zu werden, besiegelt. Mit etwa zehn Jahren habe ich mir immer wieder Operationen auf YouTube angeschaut und bin dort zufällig auf geschlechtsangleichende Eingriffe gestoßen – ich war total fasziniert. Als ich älter wurde, habe ich mich zunehmend auch für den Leidensweg der betroffenen Menschen interessiert und realisiert, was für ein Privileg es ist, sich im eigenen Körper richtig zu fühlen. Seit meinem ersten Besuch bei euch hat sich das Interesse ehrlicherweise nur verstärkt – ich versuche, es auch in meiner Unistadt Bonn zu teilen, erzähle Kommiliton*innen viel darüber und durfte im April sogar einen Vortrag für Studierende halten.
2 D-T-S-G
Wie erinnerst du dich an deine erste Erfahrung als Famulantin bei der Daverio-Transsurgery-Group und welche Eindrücke hast du von Dr. Daverio und dem Team mitgenommen?
NINA
Meine erste Famulatur bei der Daverio-Transsurgery-Group war eine prägende Erfahrung für mich. Ein Schlüsselmoment war, als ich bei meiner ersten Phalloplastik zusehen durfte – ich habe mit den Tränen gekämpft, vor Freude und Empathie, weil mir bewusst wurde, dass sich für diesen Menschen gerade alles verändert. Es hat mich tief berührt. Besonders beeindruckt haben mich Dr. Daverios Präzision und Geduld während der Operationen sowie sein Einfühlungsvermögen und sein Humor im Umgang mit den Patientinnen und Patienten. Ich war überwältigt von all den Eindrücken – es war etwas, das selbst viele Medizinerinnen und Mediziner nie zu sehen oder zu erleben bekommen.
Ganz besonders beeindruckt hat mich auch, wie viele Menschen tatsächlich an so einer Operation beteiligt sind – von den Operateurinnen und Operateuren bis zu den OTAs, der Anästhesie und dem Pflegepersonal – und wie reibungslos und engagiert das gesamte Team Hand in Hand zusammenarbeitet
Für mich stand danach fest: Ich möchte unbedingt wiederkommen!
3 D-T-S-G
Wie wichtig ist es für dich, in einem spezialisierten Bereich wie in der Transgender-Chirurgie zu arbeiten, und welche Aspekte faszinieren dich am meisten?
NINA
Ich finde es zunehmend wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte sich ein persönliches Spezialgebiet erarbeiten – nicht nur, weil die Medizin immer komplexer und breiter wird, sondern auch, weil man so sowohl den Patient*innen als auch sich selbst langfristig am meisten gerecht werden kann.
Gerade in der Transgender-Chirurgie fasziniert mich die außergewöhnliche Vielfalt der angewandten Techniken – von plastisch-rekonstruktiven über mikrochirurgische bis hin zu gynäkologischen Elementen. Besonders berührend und motivierend sind für mich aber die individuellen Lebensgeschichten der Patient*innen. Die Möglichkeit, medizinisch Teil eines so bedeutsamen und oft lang ersehnten Schritts zu sein, empfinde ich als besonders erfüllend.
4 D-T-S-G
Wo siehst du Herausforderungen, denen du als angehende Ärztin in diesem chirurgischen Spezialgebiet gegenüberstehst, und wie denkst du, damit umzugehen?
NINA
Eine große Herausforderung sehe ich im mikrochirurgischen Anteil dieses Fachgebiets – nicht umsonst gilt die Mikrochirurgie als Königsdisziplin der Chirurgie. Ich habe großen Respekt davor, weiß aber auch, dass man mit Geduld, Ausdauer und der richtigen Anleitung hineinwachsen kann. Die intensive praktische Arbeit im Präparierkurs über fünf Jahre insbesondere als Tutorin hat mir ein erstes Gefühl für chirurgische Instrumente und Präzision vermittelt und gleichzeitig ein tiefes räumliches Verständnis der Anatomie geschult – ein Fundament, auf dem ich weiter aufbauen möchte.
Ein großes Glück ist für mich, dabei von einem so erfahrenen und begabten Mentor wie Dr. Daverio begleitet zu werden, der mir mit Wissen und Praxisnähe den Weg in dieses Spezialgebiet ebnet.
Auch die postoperative Nachsorge sehe ich als anspruchsvollen, aber essentiellen Teil. Jeder Fall ist individuell, und es ist wichtig, auf mögliche Komplikationen frühzeitig und angemessen reagieren zu können. Ich bin überzeugt, dass ich durch engmaschige Einbindung und kontinuierliches Lernen in diesen Aufgabenbereich hineinwachsen werde.
5 D-T-S-G
Inwiefern glaubst du, dass die öffentliche Wahrnehmung von Transgender-Themen die Ausbildung und später die beruflichen Karrieren von Medizinstudent*innen beeinflusst?
NINA
Ich finde es sehr bedauerlich, dass Transgender-Medizin und insbesondere die Transgender-Chirurgie in der medizinischen Ausbildung bislang kaum Berücksichtigung finden. Viele Mitstudierende bekommen im Studium überhaupt keinen Kontakt zu diesem Fachbereich – obwohl es sich dabei um ein relevantes und sensibles Thema handelt.
Gerade deshalb ist es mir ein persönliches Anliegen, über Transgender-Medizin aufzuklären, Bewusstsein zu schaffen und zur Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung von Transpersonen beizutragen. Leider bestehen noch immer viele Vorurteile, die durch fehlende Sichtbarkeit und unzureichende Bildung verstärkt werden.
Ich sehe es als Teil meiner Verantwortung, aktiv daran mitzuarbeiten, dass sich das ändert – sei es über öffentliche Aufklärungsarbeit in sozialen Medien oder durch Beiträge im universitären Kontext, wie den Vortrag, den ich im Rahmen der Anatomie halten durfte, um das Thema auch meinen Kolleg*innen näherzubringen.
Das mangelnde Angebot in der Ausbildung liegt aus meiner Sicht nicht an fehlendem Interesse von Seiten der Studierenden, sondern vielmehr an den gesellschaftlichen Strukturen und dem Aufbau der medizinischen Lehre. Genau hier möchte ich ansetzen und langfristig zu einer integrativeren und offeneren Ausbildung beitragen.
6 D-T-S-G
Du hast dich unserem Team angeschlossen, weil Dr. Daverio zu den erfahrensten Transgender-Chirurgen weltweit gehört. Man kann sagen, du möchtest von ihm lernen incl. Tipps und Tricks, von einem der mehr als 1300 FzM/MzF-Aufbauten leitend operiert hat. Was sind einige der wichtigsten Lektionen oder Fähigkeiten, die du bisher während deiner Zeit im OP mit ihm erlernt hast?
NINA
Es ist wirklich schwer, das kurz zu fassen, weil das, was ich bisher im OP von Dr. Daverio lernen durfte, nicht nur fachlich, sondern auch persönlich unglaublich prägend ist. Er inspiriert mich jedes Mal aufs Neue – und motiviert mich, eines Tages eine genauso begabte und leidenschaftliche Chirurgin zu werden wie er es ist.
Ein Satz von ihm begleitet mich besonders:
„Mit dem Kopf in den Sternen und den Füßen auf dem Boden.“
Das bedeutet für mich, immer an sich selbst zu glauben, groß zu träumen – aber auch bodenständig zu bleiben und von Herzen alles zu geben, um diese Träume zu erreichen.
Chirurgisch hat er mir vor allem beigebracht, Gewebe zu respektieren und möglichst atraumatisch zu präparieren. Außerdem immer präzise und ruhig zu arbeiten – auch in schwierigen Momenten. Mit den richtigen anatomischen Grundlagen hat man die besten Chancen, sicher zu operieren und sich immer wieder schnell in der richtigen Präparationsschicht zurechtzufinden.
7 D-T-S-G
Wie siehst du die Zukunft der Transgender—Chirurgie, und welche Entwicklungen würdest du dir wünschen, um die Versorgung und Unterstützung für Menschen, die trans sind, zu verbessern?
NINA
Ich habe das Gefühl, dass die Transgender-Chirurgie aktuell deutlich an Popularität und Interesse gewinnt – sowohl innerhalb der Medizin als auch gesellschaftlich.
Für mich ist das alles also erst der Anfang. Ich kann mir tatsächlich sehr gut vorstellen, dass es in Zukunft einen eigenen Facharzt für Transgender-Medizin geben wird. Das wäre ein wichtiger Schritt, um die Komplexität und Relevanz dieses Fachgebiets angemessen abzubilden.
Ein zentraler Punkt für die Weiterentwicklung ist für mich der fachliche Austausch unter Expert*innen – um Operationstechniken, Nachsorgekonzepte und Versorgungsabläufe kontinuierlich zu verbessern.
Wie ich bereits in meinen vorherigen Antworten betont habe, wünsche ich mir außerdem sehr, dass Transgender-Medizin endlich mehr Platz in der Lehre findet. Viele Studierende kommen im Studium kaum oder gar nicht mit dem Thema in Berührung – obwohl das Interesse definitiv da ist.
All das muss eingebettet sein in eine kontinuierliche Aufklärungsarbeit. Denn nur wenn sich gesamtgesellschaftlich etwas bewegt, wenn Sichtbarkeit, Verständnis und Akzeptanz wachsen, können auch medizinische Strukturen wirklich inklusiv und zukunftsfähig werden.
8 D-T-S-G
Was würdest du anderen Medizinstudent:innen empfehlen, die sich für die Transgender-Chirurgie interessieren, um sich in diesem Bereich weiterzuentwickeln?
NINA
Was mir persönlich sehr geholfen hat, war, die Geschichten von trans* Personen auf Plattformen wie Instagram oder TikTok zu verfolgen. So habe ich ein viel besseres Gefühl für die Lebensrealitäten und auch die oft langen Leidenswege vieler Patient:innen bekommen – das schafft Empathie und Verständnis, gerade wenn man selbst noch wenig Berührungspunkte hatte.
Am wichtigsten ist es aber, sich zu trauen, proaktiv zu werden. Ich würde allen empfehlen, sich umzuhören, wo es spezialisierte Zentren gibt – und dann gezielt Erstgesprächen, Aufklärungsgesprächen, Operationen und Nachsorgen beizuwohnen. Wenn echtes Interesse vorhanden ist, entwickelt sich der Rest ganz von allein.
Und: Es ist völlig normal, am Anfang unsicher zu sein – gerade im Umgang mit trans* Patient*innen. Diese Unsicherheit verschwindet mit der Zeit, wenn man offen bleibt, sich ehrlich mit dem Thema auseinandersetzt, empathisch auf Menschen zugeht und bereit ist, ständig dazuzulernen und die eigenen Denkweisen und Handlungen zu reflektieren und weiterzuentwickeln.
9 D-T-S-G
Glaubst du, dass es möglich ist, eine hervorragende Ärztin mit grosser fachlicher Kompetenz zu sein, ohne den Respekt und das Einfühlungsvermögen für Transgender-Personen in den Vordergrund zu stellen?
NINA
Kurz gesagt – Nein.
Fachliche Kompetenz allein reicht nicht aus, um eine wirklich gute Ärztin zu sein – schon gar nicht in einem sensiblen Bereich wie der Transgender-Medizin.
Meiner Meinung nach sollte niemand diesen Beruf ausüben, der nicht mit ganzem Herzen dabei ist und bedingungslos hinter seinen Patientinnen steht.
Respekt, Einfühlungsvermögen und ein echtes Interesse an den Lebensrealitäten der Patient*innen sind mindestens genauso wichtig wie technisches Können. Nur wenn beides zusammenkommt, kann man individuell und verantwortungsvoll behandeln – und wirklich etwas Positives bewirken.
Und auch nur dann kann es einen selbst wirklich erfüllen, und das wiederum spüren die Patient*innen. Es beeinflusst meiner Meinung nach ganz wesentlich das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt*innen und Patient*innen.
10 D-T-S-G
Abschliessend, welche persönliche Vision hast du für eine zukünftige Karriere in der Transgender-Chirurgie, und was motiviert dich, diesen Weg weiterzugehen?
NINA
Wenn ich ehrlich bin, versuche ich mir gar nichts allzu Konkretes vorzustellen – Hauptsache, ich fühle mich auch in Zukunft noch so erfüllt wie jetzt. Dass ich diese Begeisterung behalten kann, ist für mich wichtiger als ein fester Karriereplan.
Am meisten motivieren mich tatsächlich die kleinen zwischenmenschlichen Momente: ein Moment des Vertrauens, das Gefühl, jemandem Mut zu machen und ihn oder sie gewissenhaft auf dem eigenen Transitionsweg begleiten zu dürfen. Das Wichtigste ist für mich, dass sich Menschen von mir gesehen fühlen. Wenn ich spüre, dass mir das gelingt, gibt mir das unglaublich viel Motivation weiter zu machen.
Chirurgisch motiviert mich jede einzelne Operation mit dem Team der Daverio - Transsurgery - Group – besonders jetzt, wo ich zunehmend mehr Verantwortung übernehmen darf und innerhalb der Eingriffe eigenständiger arbeiten kann. Es ist jedes Mal ein Privileg, mit am Tisch zu stehen.
Wie mein beruflicher Weg ganz konkret aussehen wird, weiß ich noch nicht – ich kann mir vieles vorstellen. Aber ich sehe mich auf jeden Fall irgendwann als Hauptoperateurin bei geschlechtsangleichenden Operationen. Und ich werde alles daransetzen, meine Begeisterung nicht zu verlieren und immer offen zu bleiben.
Wenn ich von meiner Arbeit im OP erzähle, höre ich oft, wie sehr meine Augen dabei strahlen – und genau das ist meine Vision: dieses Strahlen zu bewahren.
D-T-S-G
Vielen Dank für deine Zeit und deine Gedanken, liebe Nina. Es ist beruhigend zu erfahren, dass sich angehende Ärztinnen wie du auf den Weg machen und mit so viel Empathie und Begeisterung zu den Patient:innen kommen – dein Strahlen wird sicher auch das Herz deiner zukünftigen Patient:innen erreichen und ihr Wohlbefinden auf eine vertrauensvolle Weise stärken. Wir freuen uns, dich in unserem Team zu haben.